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Thema: Zeitenwende im Koblenzer Fußball Do 25 Jul 2019 - 10:29
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Zeitenwende im Koblenzer Fußball Wie die Stadtrivalen Rot-Weiß und TuS in neuen Rollen in die Saison starten
Koblenz. Wirklich viel hat sich nicht verändert am Vereinsheim von Rot-Weiß Koblenz. Das Gebäude vor den Toren des Stadions Oberwerth könnte mal wieder einen Anstrich vertragen, innen geht es nach wie vor eher beengt zu. Und Fatih Cift, der Trainer der ersten Mannschaft, muss sich in einem Acht-Quadratmeter-Raum zwischen Bällen, Trikots und Waschmaschinen auf die Übungseinheiten vorbereiten. Praktisch nichts deutet darauf hin, dass sich in dieser Umgebung der inzwischen höchstklassige Klub der Region auf das große Abenteuer Regionalliga vorbereitet. Am Samstag um 14 Uhr steht die erste Partie gegen Astoria Walldorf an.
Es ist eine Art Zeitenwende, die sich da gerade vollzieht. Die Rot-Weißen, die ihre Wurzeln in der südlichen Vorstadt haben, messen sich fortan mit den einstigen Bundesligisten 1. FC Saarbrücken, SSV Ulm oder Kickers Offenbach, während der Platzhirsch TuS Koblenz eine Etage tiefer in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar den nächsten Anlauf startet, sich neu zu orientieren. „Wenn uns das vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, hätten wir ihn für verrückt erklärt“, sagt denn auch Christian Noll, der sportliche Leiter von Rot-Weiß. Damals, 2009, zog die TuS als Zweitligist auf dem Oberwerth die Massen an, Rot-Weiß kickte in der Bezirksliga Mitte vor ein paar Zuschauern nebenan auf dem staubigen Hartplatz.
Immerhin: Die ungeliebte rote Asche wird inzwischen nur noch sporadisch frequentiert, von den Strukturen einer semi-professionellen Liga ist der Klub aber dennoch weit entfernt. „Natürlich sind wir in vielerlei Hinsicht nicht optimal aufgestellt“, weiß Cift, der wie alle Verantwortlichen im Verein die neue Herausforderung als weiteren Lernprozess begreift. Nur ein Beispiel: Konnte man in den vergangenen Jahren den Kader in aller Regel mit Spielern aus der Region verstärken, so melden sich nun verstärkt Berater aus halb Europa, um ihre Akteure in der Regionalliga unterzubringen. Eine Gratwanderung für Rot-Weiß, das seine Identität als familiärer Verein wahren will. „Aber wir müssen den Radius etwas weiter fassen, da der Markt an hiesigen Spielern begrenzt ist“, sagt Cift.
Viel zu verdienen gibt es bei den Vorstädtern nach wie vor nicht, auch wenn der Verein einen Gesamt-Etat von 450 000 Euro auf die Beine gestellt hat. Was für Rot-Weiß den Sprung in eine neue Dimension darstellt, dürfte im Vergleich zur Konkurrenz am unteren Ende liegen. Aber, so hält Noll als maßgeblicher Mann im Hintergrund nicht ganz ohne Stolz fest: Die Summe entspringt keiner kühnen Kalkulation – sondern das Budget ist gesichert.
Nun hätten die Macher bei den vielen administrativen und organisatorischen Anforderungen in der neuen Spielklasse ja durchaus mal beim großen Nachbarn, der TuS, nachfragen können, wie es der langjährige Koblenzer Vorzeigeklub so hält. Schließlich hat der Verein etliche Jahre Existenzkampf in der Regionalliga hinter sich – mit entsprechenden Erfahrungen. Wobei die TuS in Sachen Finanzen wohl nicht der beste Ratgeber wäre, schließlich gelingt es dem Klub seit jeher nur selten, das Geld beisammenzuhalten. Was sich aber nun (wieder mal) ändern soll, wie Trainer Anel Dzaka beteuert. „Für uns steht die Konsolidierung an erster Stelle“, versichert der Ex-Profi, der einst selbst die glorreichen Zeiten mitgeprägt hat – nun aber vor dem Hintergrund eines laufenden Insolvenzverfahrens erneut jeden Euro zweimal umdrehen muss. „Wir sind aber schon ein ganzes Stück weiter“, erinnert der 38-Jährige an das Vorjahr, als sogar der Start in der Oberliga auf der Kippe stand. Trainer Dzaka ist nunmehr vom Insolvenzverwalter ein fester Etat zur Verfügung gestellt worden, in dem er sich bewegen kann. Im Idealfall sind die finanziellen Altlasten Ende des Jahres beseitigt.
Der Anfang zum nächsten Neuanfang ist also gemacht, was Dzaka aber nicht zu Träumereien verleitet. „Jetzt schon wieder von der Regionalliga oder gar der Dritten Liga zu sprechen, ist absoluter Quatsch“, stellt der Coach unmissverständlich fest. „Es geht darum, seriös zu bleiben, das Image zu verbessern und einfach ehrlichen Fußball anzubieten.“
Das große Plus der TuS sind dabei die unverdrossenen Fans, die dem Verein auch in der Fünften Liga die Treue halten. Mehr als 1000 Zuschauer im Schnitt waren im Vorjahr der Top-Wert der Liga, der jetzige Regionalligist Rot-Weiß verzeichnete 355 Besucher im Schnitt. Ein Verhältnis, das sich trotz der veränderten Kräfteverhältnisse kaum ändern dürfte. „Für uns kann es auch nicht darum gehen, die Zuschauer von der TuS abzuwerben“, weiß Cift, der selbst lange Jahre das schwarz-blaue Trikot getragen hat. Vielmehr setzen er und Noll darauf, neue Rot-Weiß-Sympathisanten zu gewinnen.
Wenn Noll zudem betont, „dass wir einfach unseren eigenen Weg finden müssen“, schwingt mit, dass sich der Austausch der Verantwortlichen in Grenzen hält. Das Verhältnis der Vereine, so ist insgesamt herauszuhören, ist eher unterkühlt – um es vorsichtig zu formulieren. Wobei sich die Nachbarn tagtäglich näher sind, als es ihnen vielleicht lieb ist. Die TuS und Rot-Weiß teilen sich neben der Arena selbst auch bereits die Trainingsplätze am Stadion, entsprechend ramponiert ist das Geläuf schon jetzt. Demnächst soll der Neu-Regionalligist zudem den Gäste-Trakt im Stadion beziehen, der zumindest etwas größer ist als im Rot-Weiß-Klubheim. Und während der Heimspiele muss die TuS ihr Heiligstes, die Kabine, erneut an Rot-Weiß abtreten. An den bescheidenen Rahmenbedingungen beider Vereine wird das freilich nur wenig ändern. „Ich würde es den Jungs zum Beispiel mal gönnen, sich zur Regeneration nach dem Training in eine Eistonne zu setzen“, sagt Cift. Mit diesem Wunsch steht er an diesen brütend heißen Tagen aber wahrlich nicht allein.
RZ Koblenz und Region vom Donnerstag, 25. Juli 2019, Seite 11.