Anzahl der Beiträge : 3431 Anmeldedatum : 01.11.13 Alter : 43 Ort : Koblenz
Thema: Sander: Team hat mehr Beachtung verdient Mi 21 Dez 2016 - 15:07
Zitat :
Sander: Team hat mehr Beachtung verdient
Koblenz. Zusammengerechnet dreieinhalb Jahre seines Trainerlebens hat Petrik Sander bisher der TuS Koblenz vermacht und in dieser Zeitspanne gleich vier Fußballklassen der Republik durchlaufen. Der 56-Jährige übernahm die Schängel in den Winterpausen 2009/2010 und 2014/15 jeweils in misslicher Lage, musste fünf Monate später den Abstieg hinnehmen, um dann im Anschluss eine gute und eine herausragende Saison hinzulegen. Die Rhein-Zeitung sprach mit dem gebürtigen Quedlinburger über ein "sensationelles" Jahr, seine Zukunftspläne und die erste DFB-Pokalrunde im Sommer.
Herr Sander, Ihr Vertrag läuft im Sommer 2017 aus. Wollen Sie den bisherigen dreieinhalb Jahren hier in Koblenz zeitlich noch etwas hinzufügen?
Das ist noch nicht geklärt. Es gibt lediglich eine ergebnisoffene Diskussion mit meiner Familie. Ich muss noch mal mit meiner Frau reden und mir das alles durch den Kopf gehen lassen. Ich verspüre da jetzt keinen Druck, dass man bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine Entscheidung herbeiführen muss.
Gibt es Überlegungen in weitere Richtungen, haben andere Vereine Sie angesprochen?
Selbst wenn es solche Anfragen gäbe, würde ich das so nicht offen sagen. Das ist doch normal in diesem Geschäft. Sicher ist wohl nur, dass ich die TuS Koblenz nicht bis zu meinem Renteneintritt trainieren werde.
Sie sprechen nicht gerne offen über Zahlen, konkrete Ziele, Bilanzen und die Tabelle. Führen Sie dennoch Buch über Ihre persönliche Statistik?
Ich führe sehr genau Statistik über alles und kann heute noch jede Aufstellung und jede Note der Spieler sagen seit meinem ersten Spiel als Trainer. Das ist eine wichtige Geschichte, die ich auch selbst in die Hand nehme. Ich verkaufe so etwas aber nur meiner Mannschaft als erstem Ansprechpartner und posaune das nicht groß in der Weltgeschichte herum.
125 Punktspiele = 53 Siege, 33 Unentschieden, 39 Niederlagen, 161:146 Tore. Wie bewerten Sie selbst ihre Ausbeute mit der TuS Koblenz?
Ich will das gar nicht beurteilen, das sollen andere machen. Für mich ist das nur ein Beleg dafür, dass wir nicht alles, aber vieles richtig gemacht haben. Das ist ja auch keine Arbeit von mir allein, sondern ein Gemeinschaftswerk. Ich betrachte mich immer als Teamplayer und bin wirklich froh, dass ich mit Gilbert Gorges und Peter Auer zwei exzellente Kollegen an meiner Seite habe.
Nur etwas mehr als ein Gegentor im Schnitt lässt vermuten, dass gepflegte Defensivarbeit einen hohen Stellenwert für Sie besitzt…
Nein, nein, nein. Gar nicht, im Gegenteil. Aber ich kann doch nur das spielen lassen, was die Mannschaft hergibt und nicht das, was mir vorschwebt. Wenn du gerade in eine Regionalliga dieser Zusammensetzung aufgestiegen bist, kommst du mit Hurrafußball keinen Schritt weiter.
Platz sieben zur Winterpause als Aufsteiger in einer starken Klasse - welche Auswirkungen hat das positive Ergebnis Ihrer Schaffenskraft in der jüngeren Vergangenheit?
Für mich ist es wirklich erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit wir mit unseren Leistungen in der öffentlichen Wahrnehmung erzielen. Ich bin traurig und enttäuscht darüber, das sich da nicht mehr tut, was die Politik und die Wirtschaft angeht. Mit leeren Versprechungen kommen wir nicht weit, da muss jeder mit anpacken.
Wünschen Sie sich manchmal einen Sportlichen Leiter oder Sportdirektor an Ihrer Seite, der Sie administrativ unterstützt?
Gilbert und ich haben das in den vergangenen zwei Jahren doch auch so ganz gut hinbekommen. Wir stehen und fallen aber mit der Mannschaft. Daher würde ich das Geld, was wir für einen Sportdirektor aufwenden müssten, viel lieber in die Mannschaft stecken.
Sie verwalten selbst den Etat für die Mannschaft. Haben Sie sich noch was aufgespart für die Winterpause?
Der Etat gibt schon noch was her, das muss dann aber einen Sinn ergeben. Das darf jetzt nicht irgendeine Ergänzung sein, sondern eine echte Verstärkung - aber auch nur zu Bedingungen, die wir realisieren können.
Verpflichtungen sind doch bestenfalls nötig aufgrund der fehlenden Breite des Kaders - oder?
Wir reden über einen, maximal vielleicht zwei Spieler und nicht über eine weitreichende Ergänzung des Kaders. Das geht ja überhaupt nicht.
Sie haben das auslaufende Kalenderjahr als "sensationell" bezeichnet. Was muss 2017 passieren, dass Sie diese Bezeichnung erneut verwenden?
Ich lasse mir da jetzt nichts aufdrücken und nenne jetzt keine konkrete Platzierung oder den Gewinn des Rheinlandpokals. Mit dem Begriff "Sensation" sollte man sehr vorsichtig umgehen und ihn nicht ständig verwenden. Wir wollen und können nicht eine Sensation der anderen folgen lassen. Das ist nicht das Ziel, das wir verfolgen. Man sollte sich darauf beschränken, kontinuierlich und nachhaltig zu arbeiten.
Wir springen in den August des nächsten Jahres und setzen mal voraus, dass Sie noch Trainer in Koblenz sind. Wer wäre Ihnen denn lieber in der 1. DFB-Pokalrunde: RB Leipzig oder Bayern München?
Es wäre zunächst einmal erstrebenswert, wenn das Stadion mal wieder richtig voll werden würde. Mir wäre aber lieber, wenn das Stadion generell mal wieder voller werden würde. Und das nicht nur bei Highlights wie dem 90. Geburtstag von Rudi Gutendorf oder bei Spielen der Superlative. Die Mannschaft hat sich auf jeden Fall mehr Beachtung verdient, sie tut einiges dafür.
Zurück zur Gegenwart: Die anstehende Vorbereitungsphase sieht sechs Testspiele vor, aber keines gegen die Oberligisten Rot-Weiß Koblenz oder FC Karbach. Stand das nicht zur Debatte?
Rot-Weiß hat terminlich nicht reingepasst, weil der Spielplan schon voll war. Aber wir spielen ja gegen Engers, die sicherlich auch schon bald eine Oberligamannschaft sind. Und Karbach war kein Thema, weil die Rivalität und daher auch die Verletzungsgefahr zu groß ist. Das war es mir einfach nicht wert.
Was macht Petrik Sander in seiner Freizeit, was nicht mit Fußball und/oder mit Familie zu tun hat?
Wenig. Sehr wenig.
Am Wochenende ist Weihnachten: Wenn Sie sich drei nicht-materielle Dinge wünschen dürften, was wäre das?
Oh Gott. (Pause). Gesundheit auf alle Fälle, das ist die Nummer eins. In der heutigen Zeit sollte man außerdem auch froh sein, wenn man in einer relativ friedlichen Welt leben darf. Das traut man sich ja schon fast gar nicht auszusprechen. Und ein Stück weit braucht man natürlich Glück in allen Lebenslagen. Auch beim Fußball, aber das zielt ja jetzt auch wieder in die materielle Richtung...